Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
wir möchten Ihnen einige Informationen zur Verfügung stellen, so dass Sie sich über die bei Ihnen anstehende Therapie einer chronische Wunde optimal vorbereiten können.
Allgemeines:
Chronische Wunden sind von erheblicher sozioökonomischer Bedeutung und stellen Patienten und deren Ärztinnen und Ärzte meist vor große Herausforderungen. Die Einschränkung der Lebensqualität und der Leidensdruck der Patientinnen und Patienten ist meist hoch und die Versorgung erfordert einen hohen pflegerischen und medizinischen Aufwand.
Eine Wunde gilt als „chronisch“, wenn sie trotz ursächlicher und sachgerechter lokaler Behandlung innerhalb von 6-8 Wochen keine Heilungstendenz erkennen lässt.
Häufigste Ursachen für die Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Wunden sind die Spätfolgen einer tiefen Beinvenenthrombose, einer Funktionsuntüchtigkeit (Insuffizienz) der Venenklappen, einer Durchblutungsstörung der Beine (Atherosklerose), einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder einer chronischen Druckeinwirkung.
Am häufigsten treten chronische Wunden am Unterschenkel und Fuß auf und werden hier als „offenes Bein“, „Ulcus cruris“ oder „Ulcus pedis“ bezeichnet. Ist eine chronische Wunde auf eine Zuckerkrankheit zurückzuführen, wird diesemeist „Malum perforans“ genannt.
Eine effiziente Wundtherapie beginnt stets mit der Klärung der Krankheitsursache. Diese erfolgt nahezu immer mittels schmerzloser Diagnostik (Bluttests, Blutdruckmessung und Ultraschalluntersuchung der Beine).
Die Therapie hängt maßgeblich von der zugrundeliegenden Ursache ab und reicht von konsequenter Kompressionstherapie und einer Optimierung des Blutzuckers über eine Wiederherstellung der arteriellen Durchblutung, chirurgische Wundreinigung und Vakuumversiegelungstherapie bis hin zu hyperbarer Sauerstofftherapie und modernen, hochspezifischen Wundauflagen.
Wiederherstellung der Durchblutung:
Am gefährlichsten sind chronische Wunden infolge einer arteriellen Durchblutungsstörung. Diese gehen statistisch mit einer hohen Amputationsrate einher. Der Erhalt der Extremität und damit der Mobilität ist das höchste Ziel einer erfolgreichen Wundtherapie!
Um eine arterielle Durchblutungsstörung zu diagnostizieren sind zunächst eine Blutdruckmessung an den Armen und Beinen sowie eine Ultraschalluntersuchung erforderlich. Meist erfolgt ergänzend in Abhängigkeit der Nierenfunktion eine Computertomographie oder Magnetresonanztomographie zur Darstellung der Arterien, welche das Bein mit sauerstoffreichem Blut versorgen.
Finden sich Engstellen oder Verschlüsse der Arterien, wird eine auf Sie abgestimmte individuelle Therapiestrategie erarbeitet. Diese kann eine offen chirurgische Behandlung ("Ausschälplastik"), eine Gefäßaufweitung mittels Kathetern (Angioplastie) sowie eine Durchtrennung des Sympathikusnervs („Sympathikolyse“) beinhalten.
Kompressionstherapie:
Ist eine Venenerkrankung, wie zum Beispiel das Spätstadium einer Beinvenenthrombose oder eine Funktionsuntüchtigkeit der tiefen Venenklappen ursächlich für die chronische Wunde, ist eine konsequente Kompressionstherapie der Beine mit Kompressionsstümpfen der Kompressionsklasse II ein maßgeblicher Bestandteil des Behandlungserfolges, ohne den eine Abheilung der Wunde nicht zu erwarten ist. Alternativ können elastische Binden verwendet werden.
Durch den von Strümpfen und Binden ausgeübten Druck (Knöcheldruck von 23-32 mmHg) werden die Venen entlastet und der Bluttransport aus dem Bein zum Herzen verbessert.
Chirurgische Wundreinigung (Débridement):
Bei einer chirurgischen Wundreinigung wird unter lokal sterilen Bedingungen abgestorbenes oder entzündetes Gewebe mit einer Pinzette, einem scharfkantigen Löffel oder einem Skalpell entfernt. Dies kann je nach Schmerztoleranz des Patienten/der Patientin und Ausmaß der Wunde ohne Betäubung, unter örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose im OP-Saal durchgeführt werden. Die Wunde kann auch mit einem unter hohem Druck appliziertem Wasserstrahl (sogenannte Jet-Lavage) gesäubert werden.
Unabhängig von der jeweiligen Prozedur können wiederholte chirurgische Wundsäuberungen notwendig werden.
Bei zugrunde liegender Erkrankung der Arterien oder Venen ist die chirurgische Wundsäuberung stets als Ergänzung zu einer Verbesserung der Durchblutung bzw. einer konsequenten Kompressionstherapie anzusehen.
Vakuumversiegelungstherapie:
Die Vakuumversiegelungstherapie hat sich in der Heilung chronischer Wunden als sehr effektiv erwiesen. Dabei wird die Wunde nach einer chirurgischen Wundreinigung mit einem speziellen Verband, bestehend aus einem großporigen Schwamm und einer Folie luftdicht abgedeckt. Über einen dünnen Schlauch wird Wundflüssigkeit kontinuierlich oder im Intervall in eine dazugehörige Pumpe abgeleitet, wodurch ein Unterdruck im Wundbereich entsteht, der die Durchblutung der Wunde verbessert und das geschädigte Gewebe zum Wachstum anregt.
Die Unterdruckbelastung der Wunde ist dabei regulierbar. Der Verband wird in der Regel alle 3 bis 5 Tage gewechselt, die Wunde dabei inspiziert, ggf. erneut chirurgisch gesäubert und der Schwamm und das Schlauchsystem ausgetauscht.
Die angeschlossene Pumpe schränkt allerdings die Beweglichkeit leicht ein und macht beim Absaugen ab und zu Geräusche, was manche Patientinnen und Patienten als störend empfinden.
Hyperbare Sauerstofftherapie:
Bei dieser Behandlungsmethode wird an der von der chronischen Wunde betroffenen Extremität mit Hilfe einer speziellen Kammer unter Überdruck 100% reiner Sauerstoff verabreicht.
Die Kombination von hundertprozentigem Sauerstoff und gleichzeitiger Anwendung von Überdruck ermöglicht sehr hohe „Sauerstoffdosierungen“ (Sauerstoffpartialdrücke) in Blut und Gewebe, was eine Reihe positiver Effekten auf die Wundheilung hat.
So kommt es zu einer Reduzierung der Wassereinlagerungen im Gewebe, zu einer Förderung der Blutgefäßneubildung (Angiogenese) und zu einer Verdrängung schädlicher Stoffwechselendprodukte und Giftstoffe.
Es gibt Hinweise, dass eine hyperbare Sauerstofftherapie die Wundheilung insbesondere bei einer Schädigung kleinster Blutgefäße (Mikroangiopathie), wie sie bei Zuckerkrankheit, einer chronischen Nierenerkrankung oder auch bei der Schaufensterkrankheit (Atherosklerose) vorkommt, verbessern kann.
Spalthautverpflanzung:
Wenn eine Wunde so groß ist, dass sie sich nicht von selbst schließen kann, kommt eine Spalthautverpflanzung (Spalthauttransplantation) infrage.
Dabei werden an einer gesunden Körperstelle, meistens dem Oberschenkel, die oberen Teile der Haut mit einem speziellen Gerät, dem sogenannten Dermatom, abgetragen und auf die saubere und vorbehandelte Wunde verpflanzt.
In der Regel beträgt die Dicke des Hautlappens 0,2-0,5mm.
Die abgetragene Haut hinterlässt an der Entnahmestelle nur eine oberflächliche „Schürfwunde“, die innerhalb von 2 bis 3 Wochen unter Auftragung spezieller Wundauflagen und Salben abheilt.
Um das entnommene Hautareal möglichst klein zu halten, wird die entnommene Haut vor der Verpflanzung mit Hilfe einer Messerwalze mit rautenförmigen Schnitten versehen. Daher wird das Behandlungsverfahren genau genommen als Maschen-Spalthautverpflanzung (Meshgraft) bezeichnet.
Dadurch können Flächen, die 1,5-3x so groß sind wie das entnommene Hautstück, abgedeckt werden. Zudem hat eine Maschen-Spalthautverpflanzung den Vorteil, dass Wundflüssigkeit durch die Öffnungen in der Haut abfließen kann. Die Maschen-Spalthaut heilt in der Regel sehr gut ein, indem die Lücken in der Haut mit eigener Haut „aufgefüllt“ werden.
Der Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Maschen auch nach Jahren als typisches Muster zu erkennen sind.
Wundauflagen:
Wunden sollten zum Schutz vor Reizung, Schmutz und Keimen mit speziellen Wundauflagen abgedeckt werden.
Klassischen Verbandmaterialien, wie Mull- und Gazekompressen sowie Vliesstoffe werden als inaktive Wundauflagen bezeichnet. Sie können zum Auftragen von desinfizierenden Lösungen und zur Reinigung der Wunde mit Kochsalzlösung verwendet werden.
Als Wundauflage saugen sie Blut und Wundsekrete auf, haben jedoch den Nachteil, dass sie bei stärkerer Flüssigkeitsabsonderung zu Verklebungen neigen und sich dann ggf. nur noch schwer und möglicherweise schmerzhaft von der Wunde ablösen lassen.
Da die Wundheilung bei feuchtem Milieu meist erleichtert ist, gibt es verschiedene, sogenannte interaktive Wundauflagen wie Hydrogele, Hydrokolloide, silber- oder alginathaltige Wundauflagen, Schaumstoffverbände, Folie und Gazen, um ein Austrocknen der Wunde zu verhindern.
Interaktive Wundauflagen bleiben meist für einige Tage auf der Wunde und sollten gewechselt werden, wenn sie sich erkennbar mit Wundsekret vollgesogen haben oder verrutscht sind.
Antibiotika:
Sieht ein Wunde infiziert aus oder können Bakterien in einem Abstrich der Wunde nachgewiesen werden, ist zusätzlich zur Wundversorgung eine Antibiotikagabe sinnvoll. Ob diese in Tablettenform oder in die Vene verabreicht werden, ist von der Schwere der Infektion und der Bakterienart abhängig. Meist werden gut gewebe- und knochengängige Antibiotika verwendet.
Dagegen ist ein Nachweis normaler bakterieller Hautflora in einer äußerlich nicht infiziert aussehenden Wunde kein Anlass für eine Antibiotikatherapie. Antibiotika sollten zum Schutz von bakteriellen Resistenzen und zum Schutz vor multiresistenten Keimen stets zurückhaltend verabreicht werden.
Schmerzbehandlung:
Chronische Wunden verursachen nicht selten chronische Schmerzen. Wir arbeiten daher mit dem „Service Douleur“ des Hôpital Kirchberg, bestehend aus spezialisierten Ärzten und Krankenschwestern zusammen um Ihre Schmerzen frühzeitig und optimal zu behandeln.